Neuer Name
Am 25. August 1945 erhält der ehemalige Adolf-Hitler- Koog seinen neuen Namen: In Übereinkunft mit der britischen Besatzungsmacht genehmigt Oberpräsident Otto Hoevermann die Umbenennung in „Dieksanderkoog“. 1948 wird der Koog als Ortsteil der Gemeinde Friedrichskoog zugeordnet.
glimpfliche „Entnazifizierung“
Nach dem Ende der NS-Herrschaft erscheint die Zukunft ungewiss. Die Alliierten beginnen mit der politischen Säuberung, der „Entnazifizierung“.
Für den Dieksanderkoog ist der Entnazifizierungsausschuss in Meldorf zuständig. Weil 1934 nur ausgewiesene Nationalsozialisten Siedler werden konnten, erwägt das Gremium ernsthaft die Ausweisung der Bewohner.
Am Ende geht es für sie glimpflich aus: Die eingeschworene Siedlergemeinschaft darf im Koog bleiben.
und Krabbenbrote
Auch das Ehepaar Söth betreibt wieder die Neulandhalle als Jugendherberge und Gaststätte. Vor allem die Krabbenbrote bleiben aus den Nachkriegsjahrzehnten in Erinnerung. Noch lange fragen Vorbeikommende nach den Leckerbissen.
– War das alles?
Aus dem Koog verweisen?
Die Siedlerauswahl verlief 1934 eindeutig: Die meisten Koogbewohner waren schon deutlich vor 1933 Mitglied der NSDAP. Viele gehörten auch der SA oder der SS an. Einige waren „kampferprobt“, zum Beispiel dabei oder sogar direkt beteiligt gewesen, als im Juli 1932 in Marne der Kommunist Adolf Bauer und in Friedrichskoog der Schiffsjunge Hermann Jäger ermordet wurden.
Jetzt steht wie überall in Deutschland eine „Entnazifizierung“ an: Auch in der britischen Zone bezeichnen Kategorien von der niedrigsten Stufe V „Entlastete“ bis zur höchsten Stufe I „Hauptschuldige“ den Grad der Belastung.
Leichte Fälle wie Stufe IV „Mitläufer“ und Kategorie III „Minderbelastete“ entscheiden ausgewiesene Demokraten in deutschen Ausschüssen, die schweren Fälle in Stufe I und II behält sich die Besatzungsbehörde vor.
Der Entnazifizierungsausschuss in Meldorf will 1947 ein Zeichen setzen und nimmt die Einstufung vieler männlicher Siedler in Kategorie III vor. Außerdem bestimmt er
die zwangsweise Entfernung von ihren Höfen.
Aber die britischen Besatzer zeigen sich milde: Sie führen in ihrer Entscheidung am 2. Juli 1947 die schwierige Ernährungslage an, wollen Anbau und Ernte nicht stören.
Solange persönlich keine Gewalttaten zur Last gelegt werden, sollen Koogbewohner nicht ausgewiesen werden.
Der Entnazifizierungsausschuss gibt sich kämpferisch, schlägt nun härtere Einstufungen in Kategorie II und I vor. Die Briten winken ab. Am Ende werden einige Siedler zu Geldstrafen verurteilt, von seinem Hof entfernt wird niemand.
– Wie soll man das bewerten?
Am 2. Juli 1947 gibt die britische Militärregierung folgende Anweisung:
„Bezugnehmend auf die angehängte Liste von Landwirten, bei der der Entnazifizierungsausschuss Entfernung vorgeschlagen hat:
Im Hinblick auf den ernsthaften Zustand der landwirtschaftlichen Produktion und den Umstand, dass Landwirtschaft im Koog Erfahrung und genaue Kenntnisse der lokalen Begebenheiten erfordert, sollte kein Landwirt entfernt werden, solange ihm keine Straftaten persönlich nachgewiesen werden können. Die Produktion von Lebensmitteln ist viel zu wichtig, als dass effiziente Landwirte nur aus politischen Gründen entfernt werden. Es sollten nur wirklich böse Männer entfernt werden.“
Vom Freiwilligen der Waffen-SS zum NS-Verfolgten: F. H.
Schon seit 1931 gehört F. H. der NSDAP an. Im gleichen Jahr wird er auch Mitglied der SS. 1939, als der Zweite Weltkrieg beginnt, meldet er sich freiwillig zur Waffen-SS.
Sein nationalsozialistischer Weg findet 1940 ein abruptes Ende: Bei einem Heimaturlaub beschwert er sich über die mangelhafte Versorgung und schlechte Stimmung in seiner Einheit. Am 15. Mai 1940 spricht das „SS- und Polizeigericht Berlin-Schmargendorf“ das Urteil über ihn: 18 Monate Gefängnis. Einen Teil hat er schon in Untersuchungshaft abgesessen. Mehrere Koogbewohner treten im Verfahren als Zeugen auf.
Nach Ende der Haft kommt er nicht wieder frei, erlebt stattdessen eine Odyssee: Zunächst wird er als politischer Häftling in das Konzentrationslager Dachau verbracht. Im Juli 1941 entlassen, kommt er erneut in verschiedene Straflager und Strafkompanien. Aus 18 Monaten Haft werden so bis zum April 1944, als er aus der letzten Strafkompanie entlassen wird, fast vier Jahre!
Kurzzeitig kommt er nochmal als Soldat an die Front, wird aber im Juli 1944 so schwer verwundet, dass er das Kriegsende im Lazarett erlebt.
Von hier kehrt er schließlich in den Koog zurück und lebt über viele Jahre mit den Menschen zusammen, die 1940 gegen ihn ausgesagt haben.
Quelle: LASH Abt. 460.16, Nr. 222
Der fanatische „Nazi“: W. T.
Er zählt zu den aktivsten Nationalsozialisten im Koog: Seit 1931 ist W. T. Mitglied der NSDAP und der SA. Zeitweise arbeitet er als Mitarbeiter für Martin Matthiessen, den NSDAP-Kreisleiter in Süderdithmarschen.
1932 wechselt er von der SA in die SS. Mit Kriegsbeginn 1939 meldet er sich freiwillig zur Waffen-SS und kämpft in Frankreich und später auch in Russland. 1944 nehmen amerikanische Truppen T. in Frankreich gefangen. Nach Kriegsende wird er interniert.
Als er 1948 in den Koog zurückkehrt, muss auch er sich vor dem Entnazifizierungsausschuss in Meldorf verantworten. Zeugen bezeichnen T. als einen „fanatischen“ Nationalsozialisten, der politische Gegner angriff und verfolgte. Weil sein Vermögen zunächst gesperrt ist, verwaltet ein Treuhänder seinen Hof. T. belästigt diesen mehrfach, droht sogar, den eigenen Hof in Brand zu setzen.
Obwohl der Entnazifizierungsausschuss vorschlägt, T. in Haft zu nehmen, kommt er mit einer Geldstrafe davon. Verurteilt wird er zu 200 DM und Verfahrenskosten in gleicher Höhe. Im Vergleich zu anderen Siedlern kommt er damit noch gut weg.
Quelle: LASH Abt. 460.16, Nr. 196
Angesehener Nationalsozialist im Koog: C. G.
C. G. ist das, was man eine lokale „Nazigröße“ nennt: Schon 1928 in die NSDAP eingetreten, ist er damit auch Träger des „Goldenen Parteiabzeichens“. Sein Schwager, Kreisbauernführer Hans Beeck, ist für die Siedlerauswahl im Adolf-Hitler-Koog zuständig. Auch G. erwirbt dort einen Erbhof und wird „politischer Leiter“ der NSDAP ohne Funktion.
Im Krieg kämpf G. nicht wie viele andere Siedler in der Waffen-SS, sondern als Soldat der Wehrmacht. 1942 mustert man ihn wegen Kinderlähmung aus. 1944 ist er Angehöriger des „Volkssturms“ in Friedrichskoog.
Dieses letzte Aufgebot besteht aus allen, die zu jung, zu alt oder zu krank für die Wehrmacht sind.
Im Zuge der Entnazifizierung kommt er wie alle Koogbewohner recht glimpflich davon: G. zahlt eine Geldstrafe von 600.- DM. Danach kann er sein Leben ohne Einschränkungen fortsetzen.
Quelle: LASH Abt. 460.16, Nr. 222