Besatzungspolitik:
Der Ostfeldzug bleibt im Herbst 1941 vor Moskau stecken – der „Generalplan Ost“ wird scheitern. Aber zwei große Besatzungsherrschaften entstehen: Das „Reichskommissariat Ukraine“ und das aus den baltischen Staaten sowie Teilen Weißrusslands gebildete „Reichskommissariat Ostland“ mit Schleswig-Holsteins Gauleiter Hinrich Lohse an der Spitze.
Ausbeutung
Die Besatzer beuten Land, Industrie und Menschen für die deutsche Kriegswirtschaft aus und planen die Zukunft der betroffenen „Vasallenvölker“.
und Vernichtung
Zwangsarbeit vor Ort oder im Reich, „Bandenbekämpfung“ und die Shoa bilden schwerwiegende Verbrechenskomplexe. Zivilverwalter, Wehrmachtssoldaten, SS- und Sicherheitsdienstleute sowie gewöhnliche Polizisten wirken zusammen. Viele verstricken sich in schlimmste Verbrechen.
Besatzungsherrschaft im „Lebensraumkrieg“ kennt keine Regeln.
Jüdische Zwangsarbeitende werden durch Riga geführt. Sie tragen Judensterne. Täglich marschieren sie vom Getto zu ihren Arbeitsstellen. Solange man ihre Zwangsarbeit benötigt.
Anschließend werden auch sie ermordet.
Der Überlebende Bernhard Katz hat dieses heimlich aufgenommene Bild besessen und überliefert. Er emigriert nach 1945 in die USA, in den Ort Oshkosh / Wisconsin.
„Reichskommissar Hinrich Lohse auf dem Gefechtsstand einer Division im Gespräch mit dem Kommandeur.“ – So lautet die originale Bildunterschrift in der Monatsschrift „Ostland“ im Frühjahr 1942.
Wie Lohse in der braunen „Fasanenuniform“ der Zivilbesatzer: Otto Ziegenbein aus Kiel, hier als stellvertretender Landesleiter der NSDAP Ostland. Diese frühe Farbaufnahme stammt vom Fotografen Schürer, Angehöriger einer Propagandakompanie.
Eine Grenze des Rigaer Gettos: Links der Stacheldraht, rechts das freie Riga für Nicht-Juden. Die auf Deutsch und Lettisch verfasste Warnung lautet: „Auf Personen, die den Zaun überschreiten oder den Versuch machen, durch den Zaun mit den Insassen des Ghettos in Verbindung zu treten, wird ohne Anruf geschossen.“
Auch diese Aufnahme stammt aus dem Besitz des Überlebenden Bernhard Katz. Sie wird 1960 in ein Hamburger Strafverfahren als Beweismittel eingebracht.
Joachim Johns, ehemaliger Nachrichtensoldat der Wehrmacht, schreibt in einem am 2. Februar 1963 im „Flensburger Tageblatt“ gedruckten Leserbrief, er schüttle den Kopf über das angebliche Nichtwissen der Deutschen über die Shoa:
(Auszüge)
„Über die Tötung der Juden wurde ich bereits auf der Fahrt nach Minsk durch einen zugestiegenen jungen Landser informiert, der gerade an einer Vernichtung teilgenommen
und auch mitgeschossen hatte – ‚nur so aus Spaß‘, wie er sagte.
Meiner Ansicht nach wusste jeder, der in Minsk lebte, was mit den Juden wurde, denn es geschah alles recht öffentlich. …
Auch die Gaswagen, die später aufkamen, waren allgemein bekannt. Sie sahen aus wie Möbelwagen, was sie wohl auch mal gewesen waren …
Auch den Juden selbst war ihr Ende durchaus bekannt.“
Eine undatierte Aufnahme, die Reichskommissar Hinrich Lohse auf dem Bahnhof in Riga zeigt. Schräg hinter ihm (5. von links) steht Friedrich August Jeckeln, SS-Obergruppenführer und Höherer SS- und Polizeiführer.
Er ist einer der Haupttäter des Judenmords in der Region, verantwortlich für Massenmorde mit mehr als 100.000 Opfern. Jeckeln wird 1946 als Kriegsverbrecher in Riga hingerichtet.
Blick in das 1941 geschaffene Judengetto von Riga.
Es ist benachbart zur Altstadt und an einer Ausfallstraße gelegen. – Unübersehbar.
Diese Aufnahme stammt aus dem Jahr 1942.
Trotz extrem dichter Besiedlung des Gettos sind nur zwei Menschen zu sehen. Möbel stapeln sich auf der Straße – möglicherweise nach einer Teilräumung, also Mordaktion.
Der Judenmord im „Reichskommissariat Ostland“
Mit dem Überfall auf die Sowjetunion beginnt auch der Mord an den Juden. In Absprache mit den Wehrmachtskommandanturen handeln zunächst „Einsatzgruppen“, zusammengesetzt aus SS/SD-Angehörigen, regulären deutschen Ordnungspolizisten und vor Ort rekrutierten einheimischen Hilfskräften; manchmal schießen auch Wehrmachtsangehörige zu ihrer Belustigung mit. Ab August 1941 durchkämmen die Mordkommandos die besetzten Gebiete: Juden auf dem Lande ermorden sie sofort, großstädtische Juden, die oft in kriegswirtschaftlich wichtigen Handwerken tätig sind, ziehen die Zivilverwalter in wenige Gettos zusammen.
In einem halben Jahr, bis Januar 1942, ermorden in stationäre Sicherheitspolizeidienststellen umgewandelte SS- und Polizeitruppen im Reichskommissariat Ostland 330.000 Juden durch Erschießen. Es sind unbeschreiblich entsetzliche Vorgänge. Hunderttausendfach und öffentlich!
Lohse und seine Zivilverwalter kommen an, als die Massenmorde ihren Höhepunkt erreichten. Umfang, Offenheit und Art der Verbrechen überraschen und verunsichern einige von ihnen, unter ihnen auch der Reichskommissar selbst. Andere kooperieren sofort. Ab Dezember 1941 herrscht Verhaltenssicherheit: Der Mord an den europäischen Juden gilt als „Führerwille“.
Das Reichskommissariat Ostland wird auch Ziel von Deportationen deutscher Juden aus dem Reich; unter ihnen auch Juden aus Lohses Heimatgau Schleswig-Holstein.
Nur etwa 800 „Reichsjuden“ und nicht einmal 1.000 lettische Juden überleben dieses Inferno.
Hinweis:
Wir zeigen keine Fotografien der Erschießungen.
Damit wollen wir die Würde der Ermordeten wahren.
Begleitet von einem lettischen „Selbstschutzmann“ mit Armbinde werden Frauen zu einfachen Aufräumarbeiten geführt.
Grobe Arbeitskleidung haben sie nicht angelegt. Sie scheinen eher zufällig zusammengestellt worden sein. Die Aufnahme entstand am 11. Juli 1941 in Riga. Im Hintergrund sind Hausruinen zu sehen.