Sturmfluten
Verheerende Sturmfluten wie die beiden „Mandränken“ 1362 und 1634 töten tausende Menschen und kosten viel Land. Zuletzt fordert die Februarflut von 1962 in Hamburg 315 Todesopfer. In Schleswig-Holstein zerstört oder beschädigt sie 150 km Deichlinie.
Traditionsreiches Ringen
Der älteste Schutzdeich ist fast 1000 Jahre alt. 1290 wird in Dithmarschen der erste Koog eingedeicht. Küstenschutz und Landgewinnung haben hier eine lange Tradition. 230 Köge entstehen an der schleswig-holsteinischen Westküste. Das Ringen mit der Nordsee prägt die Westküstenbewohner.
Kampf gegen das Meer
Unheimlich und unberechenbar, gefährlich – und doch so vertraut: So erlebten Küstenbewohner die Nordsee, den „Blanken Hans“. Über Jahrhunderte gilt „er“ als Feind des Menschen. Der Leitspruch „Trutz, Blanke Hans“ steht für den beherzten Kampf gegen das Meer.
Sturmflut auf Hallig Habel: Menschen und Tiere versuchen sich vor den Fluten in Sicherheit zu bringen. Radierung von Alex Eckener, 1936.
Detlev von Liliencron zeichnet 1882/83 in seiner Ballade über den ‚Blanken Hans‘ ein bedrohliches Bild der Nordsee.
Trutz, Blanke Hans
Heut bin ich über Rungholt gefahren,
Die Stadt ging unter vor sechshundert Jahren.
Noch schlagen die Wellen da wild und empört,
Wie damals, als sie die Marschen zerstört.
Die Maschine des Dampfers schütterte, stöhnte,
Aus den Wassern rief es unheimlich und höhnte,
Trutz, Blanke Hans.
Von der Nordsee, der Mordsee, vom Festland geschieden,
Liegen die friesischen Inseln im Frieden.
Und Zeugen weltenvernichtender Wut,
Taucht Hallig auf Hallig aus fliehender Flut.
Die Möwe zankt schon auf wachsenden Watten,
Der Seehund sonnt sich auf sandigen Platten.
Trutz, Blanke Hans.
Mitten im Ozean schläft bis zur Stunde
Ein Ungeheuer, tief auf dem Grunde.
Sein Haupt ruht dicht vor Englands Strand,
Die Schwanzflosse spielt bei Brasiliens Sand.
Es zieht, sechs Stunden, den Atem nach innen
Und treibt ihn, sechs Stunden, wieder von hinnen.
Trutz, Blanke Hans.
Doch einmal in jedem Jahrhundert entlassen
Die Kiemen gewaltige Wassermassen.
Dann holt das Untier tiefer Atem ein,
Und peitscht die Wellen und schläft wieder ein.
Viel tausend Menschen im Nordland ertrinken,
Viel reiche Länder und Städte versinken.
Trutz, Blanke Hans.
Rungholt ist reich und wird immer reicher,
Kein Korn mehr faßt selbst der größeste Speicher.
Wie zur Blütezeit im alten Rom,
Staut hier täglich der Menschenstrom.
Die Sänften tragen Syrer und Mohren.
Mit Goldblech und Flitter in Nasen und Ohren.
Trutz, Blanke Hans.
Auf allen Märkten, auf allen Gassen
Lärmende Leute, betrunkene Massen.
Sie ziehen am Abend hinauf auf den Deich:
Wir trotzen dir, Blanker Hans, Nordseeteich!
Und wie sie drohend die Fäuste ballen
Zieht leis aus dem Schlamm der Krake die Krallen.
Trutz, Blanke Hans.
Die Wasser ebben, die Vögel ruhen,
Der liebe Gott geht auf leisesten Schuhen.
Der Mond zieht am Himmel gelassen die Bahn,
Belächelt der protzigen Rungholter Wahn.
Von Brasilien glänzt bis zu Norwegens Riffen
Das Meer wie schlafender Stahl, der geschliffen.
Trutz, Blanke Hans.
Und überall Friede, im Meer, in den Landen.
Plötzlich wie Ruf eines Raubtiers in Banden:
Das Scheusal wälzt sich, atmete tief,
Und schloß die Augen wieder und schlief.
Und rauschende, schwarze, langmähnige Wogen
kommen wie rasende Rosse geflogen.
Trutz, Blanke Hans.
Ein einziger Schrei – die Stadt ist versunken
Und Hunderttausende sind ertrunken.
Wo gestern noch Lärm und lustiger Tisch,
Schwamm andern Tags der stumme Fisch.
Heut bin ich über Rungholt gefahren,
Die Stadt ging unter vor sechshundert Jahren.
Trutz, Blanke Hans?