Keine Kirche im Koog?

Von Kirchenplanung

Eigentlich gehört in den Koog eine Kirche. In der Planskizze von 1935 ist sie auch vorgesehen. Danach verschwindet sie. Stattdessen wird auf dem „Franzosensand“, der einzigen Erhöhung im Gelände, die Neulandhalle erbaut. Das Kirchenland wird anders verwendet.

…zum Hallengrundstein

Die Neulandhalle, vom Architekten Richard Brodersen entworfen, scheint von Anfang an kein gewöhnliches Bauwerk zu werden. Adolf Hitler selbst legt am 29. August 1935 den Grundstein. Aufmarschierte Formationen und Glockenklang begleiten den weihevollen Akt. Die Grundsteinurkunde wird verlesen.
In ihr heißt es unter anderem:

„Im ersten neuen Koog, den das dritte Reich schuf, soll diese Halle ein Denkmal sein für das erfolgreiche Ringen um Neuland aus dem Meer und um Neuland des Wissens und der politischen Erkenntnis.“

Entsteht hier eine Ersatzkirche?

Planungsskizze des Adolf-Hitler-Koogs 1935. Hier ist die Kirche noch vorgesehen:
Für diesen Zweck ist Land ausgewiesen und für die Kirchengemeinde des Koogs reserviert.

Grundsteinlegung der Neulandhalle am 29. August 1935.
Adolf Hitler persönlich mauert die Grundsteinkassette ein.
Sie enthält ein einseitiges Textblatt aus der Feder des schleswig-holsteinischen Gauleiters Hinrich Lohse.

Auszüge aus der Rede von Hinrich Lohse bei der Grundsteinlegung:
(Spieldauer etwa 2 Minuten)

Er redet über die Siedler, Kämpfe gegen politische Gegner und die Nordsee und von Landgewinnung. Schließlich läutet die Glocke der zukünftigen Neulandhalle.

Richard Brodersen hat eine klare Vorstellung:
Die Neulandhalle in einer Planungsskizze 1935.

Architekt Richard Brodersen (1880-1968), Aufnahme von 1936.

Richard Brodersen:
Genau der Richtige für die Aufgabe?

„Auch für Schleswig-Holstein ist die Frage der Baukultur nicht nur eine Frage des Hausbaues, nicht eine Frage der Landschaft, sondern auch eine Rassen- und Stammesfrage.“

Richard Brodersen, 1939

Für den Bau der Neulandhalle wird ein Architekt gewählt, der ideologisch passt: Richard Brodersen. 1880 in Kiel-Gaarden geboren und in Berlin lebend, arbeitet er seit 1929 als architektonischer Berater der Deichverbände.

Das Zitat zeigt: Für Brodersen ist Baukultur nicht nur eine Frage der Zweckmäßigkeit und der Orientierung an Landschaft und Geschichte, sondern auch eine „Rassen- und Stammesfrage“. In einer architektonischen Fachzeitschrift gibt der Architekt
im September 1935 eine selbstbewusstmarkige Vorschau auf sein Bauvorhaben:

„Die Neulandhalle wird … zu einem würdigen Denkmal für den Durchbruch einer neuen Anschauung auf dem Gebiet der Siedlung auf Neuland.“

Zitat: Brodersen 1935, S. 775f.

Nach Fertigstellung der Neulandhalle erfolgt 1937 die Ernennung Brodersens zum Landesbaurat der Provinz Schleswig-Holstein. Er leitet fortan die Landeshochbauverwaltung und die „Landesstelle für Baukultur und Heimatschutz“.
Brodersen bleibt über das Kriegsende hinaus im Amt, geht 1948 mit 68 Jahren in den Ruhestand. Hochbetagt stirbt er 1968.

Der noch unbebaute „Franzosensand“ in einer Planskizze des Architekten Brodersen.