Ganz speziell: Auswahl der Siedler

Auswählende

Der NSDAP-Kreisleiter, der Landrat und – vor allem – der Kreisbauernführer wählen die zukünftigen Siedler des Adolf-Hitler-Kooges aus. Bewerben sollen sich Bauernsöhne, die nach dem vom NS-Staat erlassenen „Reichserbhofgesetz“, das Erbteilung untersagt, leer ausgehen werden. Es ist ihre große Chance auf einen eigenen Hof!

Bedingungen

Erfüllen müssen sie allerdings drei Bedingungen: Sie sollen „rein arischer Herkunft“ sein, und zwar in der Generationenfolge zurückgerechnet bis 1800. Sie sollen aus Dithmarscher Familien stammen. – Und sie sollen der NS-Bewegung angehören, mindestens seit 1930, also aus der „Kampfzeit“ vor dem Durchbruch bei der Wahl im September 1930.

Belohnung

Als Belohnung winkt ein finanzierbarer Erbhof: Die zukünftigen Siedler zahlen in diesem Koog nichts für die Kosten der Landgewinnung. Ihre aus ideologischen Gründen überteuert gebauten Hofgebäude werden bezuschusst. Wer auch den Rest nicht tragen kann, erhält Hilfen aus einem Fonds der Siedlergemeinschaft.

Neubauern vor dem frisch bezogenen Hofgebäude: Das in der Mitte stehende herausgeputzte junge Siedlerpaar führt stolz seine vier Pferde vor. Mit im Bild zu sehen sind die beiden Kleinkinder, wohl die Großmutter und ein landwirtschaftlicher Gehilfe. Der zukünftige Garten ist frisch umgegraben.

Bericht der „Schleswig-Holsteinischen Tageszeitung“ am 10. Januar 1935 über den Vortrag von Landrat Kracht über die Siedlerauswahl für den zukünftigen Adolf-Hitler-Koog.

Der Auswähler: Kreisbauernführer Hans Beeck (1896-1983)

Mehrere hundert Bewerbungen auf eine Siedlerstelle im neuen Koog gehen ein. Die Auswahl verantworten NSDAP-Kreisleiter und stellvertretender Landesbauernführer Martin Matthiessen, Landrat Ernst Kracht und in erster Linie Kreisbauernführer Hans Beeck – sie ist politisch bestimmt und persönlich beeinflusst. Ausgerechnet Beecks Schwager erwirbt den zweitgrößten Hof.

Kreisbauernführer Hans Beeck schreibt in einer schwülstigen Niederschrift zum Adolf-Hitler-Koog über seine Prioritätensetzung:

„Nun konnte die Auswahl der Siedler vor sich gehen. Nur in Kampf und Beruf bewährte Männer aus beiden Kreisen des Dithmarscher Landes wurden auserwählt. Sie mußten selbstverständlich, ebenso wie ihre Frauen, erbgesund sein. Nur dadurch ist eine Bindung des Blutes mit dem Boden über mehrere Generationen hinweg möglich.“

Zitat: LASH Abt. 399.4, Nr. 7

Hans Beeck ist sehr früh Mitglied der NSDAP, schon seit der Wiedergründung 1925. Er wird „Gauredner“, also Wahlkämpfer für die Landagitation der aufstrebenden NSDAP. Er gilt als ein Vertrauter von Gauleiter Hinrich Lohse.

Ab 1934 bis zum Ende der NS-Herrschaft ist er Stellvertreter von Kreisleiter Matthiessen, vor allem aber amtiert er als Kreisbauernführer.
Darin findet er seine Rolle!

Als Kreisbauernführer genießt er ein gewisses Ansehen in Teilen der Dithmarscher Bevölkerung. Insbesondere die Siedler und die späteren Chronisten des Adolf-Hitler-Kooges lassen nichts auf ihn kommen. Andere unterstellen ihm die Bevorzugung „alter Kämpfer“, eine diktatorische Haltung und auch, dass er – über 1945 hinaus – ein überzeugter Nationalsozialist bleibt.

Der Entnazifizierungsausschuss Meldorf wird ihn als „minderbelastet“ in die mittlere Kategorie III einstufen. Mit 1.200.- DM muss er aber eine vergleichsweise hohe Geldstrafe zahlen.

Er hält sich und seine Rolle weiter für sehr bedeutend. Den umfänglichen Nachlass übergibt er Schritt für Schritt von 1967 bis 1982 dem Landesarchiv.

Für die zeitgenössische Broschüre „Schleswig-Holstein und seine SS“ lassen sich die Koogbewohner fotografieren, die der SS angehören: Das sind auf dem Bild 16 Männer, mithin fast 20 Prozent der (männlichen) Siedler – ein extrem hoher Anteil!

Die auserwählten Siedler

Am 10. Januar 1935 berichtet die „Schleswig-Holsteinische Tageszeitung“ von einem Vortrag von Landrat Ernst Kracht über den zukünftigen Adolf-Hitler-Koog. Darin heißt es kurz und knapp über seine Ausführungen zur Siedlerauswahl: „Berücksichtigung haben lediglich alte Kämpfer der Bewegung gefunden“.

Der amtlich mit der Besiedlung befasste preußische Regierungsrat Volkert Volquardsen aus Itzehoe hält im selben Jahr fest: „Bei der Auswahl der Neubauern wurde auf solche Bewerber zurückgegriffen, die die Ansiedlungsbedingungen voll erfüllen und sich nicht zuletzt Verdienste um die nationalsozialistische Erhebung erworben hatten.

Wo es sich um besonders wertvolle Volksgenossen handelte, traten die finanziellen Anforderungen in den Hintergrund.“ Schließlich gehe es um ganz Großes: „Neue Kräfte können künftig aus der Verbindung wertvollsten Arbeiter- und Bauernblutes mit deutschem, dem Meere abgerungenen Boden geschöpft werden.“

Erkennbar macht man also keinen Hehl daraus, dass im Adolf-Hitler-Koog verdiente Vertreter der NS-Bewegung versorgt werden. 91 von 92 Siedlern erfüllen die Bedingung einer frühen Mitgliedschaft bis 1930. Nr. 92 ist Träger des „Eisernen Kreuzes“, des Kriegsordens aus dem Ersten Weltkrieg, und hat sechs Kinder, entspricht also – irgendwie – auch dem NS-Ideal.

Zitate: „Schleswig-Holsteinische Tageszeitung“ 10.1.1935 sowie LASH Abt. 734.1, Nr. 1833

… eine problematische Gruppe

Quasi alle sind Mitglied der NSDAP, viele in der SA und ebenfalls ein sehr hoher Anteil in der SS. Die Gruppe der Siedler des Adolf-Hitler-Kooges ist fraglos homogen nationalsozialistisch – man wird aus heutiger Perspektive sagen: sehr problematisch – zusammengesetzt. Und mancher Bewohner ist vorbelastet, oder auch „kampferprobt“, wie man zeitgenössisch sagt:

Im Sommer 1932 findet der gewalttätigste Wahlkampf der Weimarer Republik statt. Auch in Dithmarschen kommt es zu politischen Morden. So spüren regionale SS-Angehörige den bekannten Marner Kommunisten Adolf Bauer auf, der am 9. Juli 1932 nachts mit dem Fahrrad auf der Chaussee zwischen St. Michaelisdonn und Marne unterwegs ist. Sie fallen ihn an, schlagen ihn und drücken schließlich sein Gesicht so lange in einen Graben, bis er stirbt.

Kurz darauf, am 25. Juli 1932, wird der 17-jährige Schiffsjunge Hermann Jäger nach einer Veranstaltung der SPD in Friedrichskoog misshandelt und schließlich erstochen. – Beide Morde spielen sich in der Nähe des zukünftigen Adolf-Hitler-Kooges ab, in beiden Fällen sind spätere Siedler dabei.

Der Bauer W. B. gesteht viele Jahre später, in einem Strafprozess 1948, seine Beteiligung an der Ermordung Bauers. Zunächst zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt, spricht ihn die Revisionsinstanz frei: Obwohl es fraglos ein nächtlicher Überfall auf eine Person war, wertet dieses Gericht die Auseinandersetzung zwischen Kommunisten und Nationalsozialisten neu – als Konflikt zwischen politischen Gegnern und nicht als heimtückischen Überfall.