Mehrzweckhalle: weltliche Nutzungen

Zur Einweihung der Neulandhalle werden große Worte geschwungen: Hier solle den Siedlern das Rüstzeug für den Kampf um Heimat und Volk gegeben werden. Wie sieht die tatsächliche Nutzung aus?

Neulandhalle e.V.

Zunächst geht es um die Trägerschaft: Auch im NS-Staat muss eine Einrichtung finanziert und verwaltet werden. Oberpräsident Hinrich Lohse veranlasst 1936 die Gründung des Vereins Neulandhalle e.V. Zunächst wirbt er um beitragszahlende Mitglieder, preist in Briefen die Halle in den höchsten Tönen an. Das muss er auch, denn die Reaktionen fallen zurückhaltend aus.

Schließlich werden der „Reichsnährstand“, fünf Landkreise der Westküstenregion, die Deichverbände, der Eiderverband sowie die Gemeinde Adolf-Hitler-Koog Vereinsmitglieder. Lohse ist Vorsitzender, der Landrat des Kreises Süderdithmarschen führt die Geschäfte.

Schulungsstätte und Jugendherberge

Das Ehepaar Söth, das ursprünglich für eine Siedlerstelle vorgesehen war, erhält für die Bewirtschaftung den Zuschlag. Es führt hier eine Jugendherberge und Schulungsstätte. Gliederungen der NSDAP und zahlreiche andere Organisationen nutzen die Einrichtung für Tagungen, die Hitlerjugend veranstaltet hier Freizeiten.

Wandernde Jugendliche zahlen 5 Pfennig Eintritt, um den bekannten Propagandabau zu besichtigen. Die Söths verkaufen Andenken und Postkarten, sogar eine Neulandhallen-Kachel wird in Auftrag gegeben.

Die Neulandhalle ist von Beginn an auch eine Mehrzweckhalle.

Die Küche der Neulandhalle: Es erscheint kaum vorstellbar, dass hier auch für große Gesellschaften gekocht wird.

Zweckmäßig möblierter Gruppenschlafraum: Im Obergeschoss finden etwa 50 Jugendliche Platz. Zwei Aufgänge führen zu getrennten Bereichen für Mädchen und Jungen.

Die Teilnehmer der Jahrestagung des „Westküste-Ausschusses“ vor den Wächtern der Neulandhalle im Jahr 1936. In der Mitte der preußische Staatssekretär Dr. Friedrich Landfried und Oberpräsident Hinrich Lohse. Markant ist, dass NSDAP-Gauleiter Lohse in diesem Fall nicht in Parteiuniform, sondern in Zivilkleidung auftritt:
Er will damit die staatliche, seriösere Rolle seiner Doppelfunktion unterstreichen.

Wanderheft der NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freude“ für das Wandergebiet Adolf-Hitler-Koog: In einer elfseitigen Beschreibung werden alle Sehenswürdigkeiten und Wegstrecken ausführlich vorgestellt. Der Koog scheint für wandernde Jugendliche an der Westküste eine Attraktion zu sein.

Alltagsprobleme

Zu weit gegangen

Frau Söth geht zu weit: Beschwerden über unfreundliches und ausfallendes Verhalten der Pächterin erreichen den Kreisbauernführer. Kurzerhand greift er zum Telefonhörer und stellt die Pächterin zur Rede, anfangs in freundlichem Ton, wie er festhält. Erst streitet sie alles ab, dann versucht sie sich herauszureden.
So sieht es jedenfalls der Kreisbauernführer. Jetzt weist er Frau Söth scharf zurecht, für derartiges Verhalten habe er sie nicht ausgewählt. Daraufhin legt „sie einfach den Hörer auf“.

In einem Brief an den Landrat beschwert sich Kreisbauernführer Beeck am 21. September 1940:

„Ich bitte Sie daher, Frau Söth auf ihr ungebührliches Benehmen hinzuweisen, damit ihr endlich einmal beigebracht wird, wie Sie sich als Volksgenossin und vor allem als Verwalter der Neulandhalle im Adolf-Hitler-Koog zu benehmen hat. Von Frau Söth erwarte ich eine Entschuldigung.“

Ob Frau Söth sich entschuldigt ist nicht bekannt.
Aber auch in der Folge gibt es Beschwerden.

Alltagsprobleme

Frierende Kindergärtnerinnen

In der Neulandhalle läuft nicht alles reibungslos. 1942/1943 gibt es massive Engpässe in der Kohlezuteilung, die Halle kann nicht ordentlich geheizt werden. Schulungsgruppen des Erntekindergartens müssen frieren. Eine Referentin der Schulungsgruppe beschwert sich beim Landrat des Kreises Süderdithmarschen und hofft auf Unterstützung für Frau Söth.

Alltagsprobleme

Heiße Luft?

Nicht alle sind von der Bedeutung der Neulandhalle überzeugt. Drei Anläufe braucht es, ehe der Kreis Eiderstedt einer Mitgliedschaft zustimmt.

Denn: Landrat Hamkens ist kritisch. In einem Schreiben vom 2. Dezember 1936 legt er seine Bedenken ausführlich dar: Er glaube nicht, dass die Neulandhalle erfüllen könne, was Oberpräsident Lohse verspreche. Die Halle sei doch recht abgelegen, die Anreise umständlich.

Überhaupt würden Informationsarbeiten zum Deich- und Wasserwesen regional mehr Sinn ergeben.
Hamkens macht klar, dass er als Bauer in seiner Arbeit immer wieder auf die dringenden Aufgaben der Westküstenarbeit hinweise. Aber welchen Nutzen habe der Kreis Eiderstedt von der Neulandhalle?

Nach neuerlichen Bitten erklärt er sich im Namen des Kreisausschusses erkennbar widerwillig zur Mitgliedschaft bereit.

Weitere Texte aus einer Akte mit Alltagsproblemen.