Nationalsozialistischer Festkalender

„An den Feiertagen der Nation, am Tag der Nationalen Arbeit, zum Erntedankfest und zur Feier des Tages, an dem der Führer ihrer neuen Heimat die Weihe gab, werden sich die Siedler in der Halle zusammenfinden.“

– So heißt es 1936 in der von Oberpräsident und Gauleiter Lohse herausgegebenen Festschrift „Neulandhalle“.

Inszenierte

Angesprochen ist damit ein besonderer Teil des Gemeinschaftslebens im Koog: Vergleichbar mit dem Kirchenkalender haben die Nationalsozialisten ein eigenes Feierjahr geschaffen. So feiert man zum Beispiel am 21. Juni das „Sonnenwendfest“: Arbeitsdienst und NS-Formationen entfachen dann an der Neulandhalle ein Feuer und singen das Lied „Flamme empor“:

„Heilige Glut! Rufe die Jugend zusammen … Leuchtender Schein!
Siehe, die singenden Paare schwören am Flammenaltare, Deutsche zu sein!“

Gefühle

In diesen Momenten ist die Neulandhalle eine nationalsozialistische Kirche. Und die dörfliche Volkgemeinschaft erlebt ihr Zusammenrücken.

Was machen solche Zusammenkünfte mit den Menschen?

Der große Innenraum der Neulandhalle geschmückt mit einer Erntekrone: Die Erntedankfeier hat stattgefunden.
Wie auch in jeder ländlichen Kirche üblich, bleibt sie einige Zeit hängen. Erntedank ist – sehr nachvollziehbar – für die Landbevölkerung ein außergewöhnlich wichtiges Datum.

1. Oktober 1933: Aufmarsch der Teilnehmer zum ersten Reichserntedankfest auf dem Bückeberg bei Hameln.

Das Reichserntedankfest auf dem Bückeberg bei Hameln gehört neben Reichsparteitagen und Maifeiern zu den drei größten NS-Massenveranstaltungen im Jahr. 1937 sollen es mehr als eine Million Teilnehmer sein.

Hier, auf dieser zwischen 1933 und 1937 entstandenen Fotografie von Hans Pusen, gehen Adolf Hitler sowie „Reichsbauernführer“ Richard Walther Darré (links) und Reichspropagandaminister Joseph Goebbels (rechts, fotografierend) auf die Tribüne.

Den Massenrausch kann man im Adolf-Hitler- Koog nicht erleben. Aber: Feierliche Inszenierungen mit Aufmarsch und Feuer, Rezitation und Schwur, Gesang und Kult an der Neulandhalle schaffen nachhaltige Gefühle auch in der „Volksgemeinschaft“ im Kleinen.

Schon 1935 ist das nationalsozialistische Feierjahr fest verankert. Wie der christliche Festtagskalender kennt es bindende Termine und eigene Liturgien – und vor allem viele Anlässe.

So feiert man unter anderem:

 

  • am 30. Januar den „Tag der Machtergreifung“
  • am 24. Februar die „Neugründung der NSDAP“
  • am fünften Sonntag vor Ostern den aus dem „Volkstrauertag“ umgedeuteten „Heldengedenktag“
  • am 20. April „Führers Geburtstag“
  • am 1. Mai den „Tag der Nationalen Arbeit“ (1933 durch Umdeutung des „Kampftags der Arbeiterklasse“ zum Feiertag erhoben)
  • am zweiten Sonntag im Mai den (neu geschaffenen) „Muttertag“
  • am 21. Juni die „Sommersonnenwende“
  • in der ersten Septemberwoche den „Reichsparteitag“
  • am ersten Sonntag nach dem 29. September das „Erntedankfest“
  • am 9. November den „Gedenktag für die Gefallenen der Bewegung“
  • am 21. Dezember die „Wintersonnenwende“

Damit überformt der NS-Staat christliche Feiertraditionen, schafft emotionale Bindungen an „Führer“ und Partei und stiftet im nationalsozialistischen Sinne Gemeinschaft.

Zwar besteht der christliche Feierkalender fort. Aber: Damit ist

ein zweiter, gleichrangiger Festkalender kulturell gegenwärtig.

So wird der religiöse Anspruch der NS-Bewegung erhoben und das soziale Bedürfnis nach Gemeinschaftserfahrungen erfüllt.

Gemeinschaftsstiftende Feste und Bräuche der NS-Volksgemeinschaft

Ausschnitt einer zeitgenössischen Postkarte