Eigentümliche Verbindung
In den 1920er Jahren vertreten viele Dithmarscher ein eigentümliches Gedankengut: Einerseits beziehen sie sich auf die ländliche Kultur und Freiheitstraditionen – wie etwa die „Dithmarscher Bauernrepublik“ und ihre legendäre Verteidigung in der „Schlacht von Hemmingstedt“ von 1500. Andererseits verbinden sie diese Erinnerung mit judenfeindlichen und völkischen, rückwärtsgewandten und antidemokratischen Ansichten. Schlagworte sind bereits „Blut und Boden“ und „Volksgemeinschaft“.
gut organisiert
Verschiedene Organisationen vermitteln dieses Gebräu: In den Anfangsjahren der Weimarer Republik ist es die „Schleswig- Holsteinische Landespartei“, in der sich der spätere NSDAP-Gauleiter Lohse und Dithmarschens Landrat Kracht treffen. Auch die 1920 gegründete „Arbeitsgemeinschaft Dithmarschen“ gilt als Vorläuferin der regionalen NSDAP. Sie hat etwa 10.000 Anhänger! Der nationalkonservative Frontsoldatenbund „Stahlhelm“ ist in Dithmarschen besonders radikal, spaltet sich als „Stahlhelm Westküste“ ab.
und einfach übernommen
Die NSDAP knüpft in den Jahren ihres Aufstiegs unmittelbar daran an und zieht eine Linie von Dithmarschens Geschichte zur Gegenwart, in der man sich – jetzt gegen das „Weimarer System“, die „Judenknechtschaft“ usw. – auflehnen müsse. Sie verspricht die Rückkehr zu „Blut und Boden“ und „Volksgemeinschaft“. – Das kommt gut an.
„Die Dithmarscher“: Titel des „historischen Romans“ von Adolf Bartels in einer Ausgabe aus den 1940er Jahren. Zuerst 1898 erschienen, erlebt der Roman bis 1945 zahlreiche Neuauflagen. Er ist ein Longseller. Zu sehen sind bewaffnete freie Bauern, im Hintergrund der Meldorfer Dom. Die entschlossen dreinblickenden Männer stehen auf einem von der Nordsee umflossenen Dithmarschen, das sie verteidigen wollen.
Dithmarscher Dichter
Die Dithmarscher Dichter Adolf Bartels (1862-1945) und Gustav Frenssen (1863-1945) sind Wegbereiter des Nationalsozialismus.
Adolf Bartels
Der Kritiker und Dichter Bartels zählt zur „Heimatkunstbewegung“, deren Kennzeichen Bauernromantik, Heimatliebe und ein fanatischer Antisemitismus bilden. In seinen Schriften wirbt er für den völkischen Rassismus.
Literarische Qualität leitet sich für ihn allein von der „Rassezugehörigkeit“ des Verfassers ab.
Bartels‘ Roman „Die Dithmarscher“ (1898) betont ein Sonderbewusstsein dieses ‚Stammes‘. Er spielt im 16. Jahrhundert und trägt die antimoderne Botschaft, Heimat sei ein enger Raum, der mit allen Mitteln gegen Eindringlinge verteidigt werden müsse.
Das Resultat: Engstirnige, aggressive Abgrenzung gegen alles Fremde!
Gustav Frenssen
Auch in Frenssens Bestseller „Jörn Uhl“ (1901), in dem ein junger Bauer um seine Unabhängigkeit kämpft, konnten sich heimatverbundene Leser wiederfinden:
„Es gibt Bauernhöfe im Land, welche tot sind. Geiz oder Überschuldung, oder öffentliche Schande oder böses Gewissen, oder langwierige, unheilbare Krankheit haben alles Leben, das im Hause war, getötet, und sperren aus, was von draußen hereinkommen will. Die Erde dreht sich, die Kultur geht weiter, Sitten und Gebräuche ändern sich, das Volk führt Kriege, die wirtschaftlichen Verhältnisse des Volkes werden besser und wieder schlechter: der Hof da im einsamen Felde, unter den hohen, dunklen Bäumen, hinter den dichten Büschen, rührt sich nicht. … Endlich eines Tages, wird ein Sarg vom Hof getragen … Der Hof aber kommt in andere Hände. Fenster und Türen werden ausgerissen. Maler und Tischler singen in allen Stuben. Bald lacht eine junge Frau. Bald stolpern hellhaarige Kinder im Sonnenschein über die Hofstelle.“
Zitat: Frenssen (Prachtausgabe 1913), S. 283f.
Gustav Frenssen, Pastor in Barlt / Süderdithmarschen und bald außerordentlich erfolgreicher Autor, entwickelt sich ab Mitte der 1920er Jahre zum offenen Antisemiten und schließlich zum entschiedenen Anhänger des Nationalsozialismus. 1940 veröffentlicht er eine Rechtfertigung der Judenverfolgung.
Schlacht bei Hemmingstedt am 17. Februar 1500: Auf diesem knapp 100 Jahre nach dem Ereignis entstandenen Holzschnitt ist zu sehen, wie das auf der rechten Seite aufgestellte, gut gerüstete Aufgebot der Dithmarscher Bauern das überlegene Ritter- und Landsknechteheer des Königs von Dänemark und des Herzogs von Gottorf in der aufgeweichten Marsch niederringt. Im Hintergrund ist das gebrandschatzte Meldorf abgebildet.