Gefühlte Gemeinschaft

Eine Definition

Das Lexikon „Volksbrockhaus“ definiert 1939 die Volksgemeinschaft als „die auf blutmäßiger Verbundenheit, auf gemeinsamem Schicksal und auf gemeinsamem politischen Glauben beruhende Lebensgemeinschaft eines Volkes, der Klassen- und Standesgegensätze wesensfremd sind.“

Schon bei der Besiedlung des Adolf-Hitler-Koogs hat sich gezeigt: Nicht soziale Gleichheit wird versprochen, sondern die hergebrachte ständische Ungleichheit.

Aber Rasse, Schicksal und politische Vorstellungen sollen einheitlich sein. Interessensgegensätze der modernen Industriegesellschaft werden verleugnet.

Es geht um gefühlte Gemeinschaft. Konfliktfrei und harmonisch rückt zusammen, wer rassisch, gesundheitlich und weltanschaulich dem NS-Maßstab entspricht. Das ist die große Mehrheit der Deutschen.

Zitat: Der Volksbrockhaus, 8. Auflage (1939), S. 735

Bestärkte Wir-Gefühle

Viele Erfahrungen stärken dieses Wir-Gefühl. Seien es gemeinschaftliches Eintopfessen und Feiern, „KdF-Urlaub“ und „KdF-Wagen“, Spenden für die „NS-Winterhilfe“, organisierte „Betriebs“- und „Dorfgemeinschaft“ oder eine prägende Mitgliedschaft in der „Hitlerjugend“.

Sozialpolitik als Gemeinschaftsaufgabe: Nicht der Staat, sondern überwiegend die „NS-Volkswohlfahrt“, die auch das „NS-Winterhilfswerk“ betreibt, übernimmt diese öffentliche Aufgabe.

Hier werden Sachspenden für ausgewählte Bedürftige geladen. Die Aufnahme wird in Kiel gemacht, das Jahr ist nicht bekannt.

Auf der Reichsautobahn bei Lehnin in Brandenburg: Die Aufnahme stammt aus dem Jahr 1943. Der Autobahnbau gehört zu den großen nationalsozialistischen Mythen: Er ist Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, er bedeutet moderne Zukunft und er verspricht Automobilität für alle. Auch der „KdF-Wagen“, der Vorläufer des VW-Käfer, stellt ein Angebot an die Massen dar.

Eigens werden das Werk und die Stadt gegründet, um für 990 Reichsmark pro Fahrzeug die Motorisierung der „Volksgenossen“ voranzubringen. Hunderttausende Kleinsparer machen mit.
Die Auslieferung erfolgt kriegsbedingt jedoch nie. – Aber Wolfsburg und das VW-Stammwerk haben nach 1945 eine große Zukunft.

Der Eintopf wird zu einem Symbol der NS-Volksgemeinschaft: Einmal im Monat verzichtet die Nation auf ihren Sonntagsbraten, isst Eintopf und spendet das Eingesparte der „NS-Volkswohlfahrt“. So lautet das Ideal.

Hin und wieder veranstaltet man auch große Eintopfessen, um das Zusammenrücken für ‚einen guten Zweck‘ als gemeinschaftliches Erlebnis zu feiern. Wie hier, in der Turnhalle der Schule Kupfermühle an der deutsch-dänischen Grenze im Dezember 1936.

Postkarte des Winterhilfswerks: Das Porto kostet 4 Pfennige mehr als die üblichen 6 Pfennige, die Mehrkosten sind eine Spende. Das Motiv bringt den Eintopf als gemeinschaftlichen Verzicht in Erinnerung.