Landgewinnung als NS-Projekt

1933

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 werden die Landgewinnungsarbeiten verstärkt. Schleswig-Holsteins NSDAP-Gauleiter Hinrich Lohse bemächtigt sich des beliebten Themas:

Mit Gespür für erfolgreiche Propaganda verbindet er die Westküstentradition mit der Lösung von Gegenwartsproblemen – und dem Nationalsozialismus.

Plan-Übernahme

Die Vorarbeiten der „Arbeitsgemeinschaft der Deichverbände“ unter Johann Lorenzen eignen sich gut für die Pläne der Nationalsozialisten: Lohse übernimmt Ideen und Personal. Sein „Generalplan für die Landgewinnung in Schleswig-Holstein“ wird bald nur noch „Lohse-Plan“ genannt.

Visionär oder großmäulig?

Die Idee: Im Zeitraum von 100 bis 150 Jahren soll die landnächste Inselreihe des nordfriesischen Wattenmeeres verlanden. 30.000 Hektar Neuland und 2.000 neue Siedlerstellen würden ein Auskommen für etwa 10.000 deutsche „Volksgenossen“ bieten. – Ein visionärer Plan oder großmäulige Ankündigung?

Der „Lohse-Plan“ als gekacheltes Wandbild in der Jugendherberge Husum.

Werner Lange und seine Frau Lore aus Kiel/Heikendorf entwerfen 1938 die Übertragung des Lohse-Plans auf das gekachelte Wandbild. Lange ist überregional bekannt, hat 1919 die „Expressionistische Arbeitsgemeinschaft Kiel“ mitgegründet, unterrichtet an der „Handwerker- und Kunstgewerbeschule“ in Kiel. Ausführung und Brand der handgemalten Kacheln übernimmt 1939 die „Hansische Bau- und Kunsttöpferei Klippel und Gieth“ in Lübeck.

Dieses einmalige Wandbild wird in der Theodor-Storm-Jugendherberge in Husum angebracht. Dort sind auch weitere Wandgestaltungen mit handgefertigten Fliesen zu finden. Das soll friesisches Brauchtum signalisieren.
Seit 2013 stehen Bau, Innenausstattung und Möblierung der Jugendherberge unter Denkmalschutz.

Der „Lohse-Plan“: Erwarteter Zustand nach 150 Jahren Landgewinnungsarbeiten an der Küste Schleswig-Holsteins.

„Trutz blanke Hans“: Titelblatt einer Publikation des Oberpräsidenten der Provinz Schleswig-Holstein zur Landgewinnung an der Westküste aus dem Jahr 1937. Seit Jahren dient das Thema auch der massiven Propaganda in eigener Sache.

Hinrich Lohse (1896-1964), hier circa 1934.

Hinrich Lohse (1896 – 1964):
NSDAP-Gauleiter und Oberpräsident der preußischen Provinz Schleswig-Holstein

Geboren 1896 als Sohn eines Kleinbauern in Mühlenbarbek, nimmt Hinrich Lohse bis zur Verwundung 1916 als Soldat am Ersten Weltkrieg teil und wird danach zunächst Bankangestellter. Er zählt schon 1923 zu den wenigen Mitgliedern der schleswig-holsteinischen NSDAP. Ab 1924 lebt er als Berufspolitiker:
Von 1924 bis 1929 ist er Stadtverordneter in Altona, von 1928 bis 1933 Mitglied des Preußischen Landtags.

Beim Neuaufbau der NSDAP 1925 wird Lohse zum schleswig-holsteinischen Gauleiter ernannt und bleibt bis 1945 ein treuer Gefolgsmann Adolf Hitlers. Mit Sinn für regional populäre Themen leitet er die nationalsozialistische „Landagitation“ ein. Er ist erfolgreich: Schleswig-Holstein gilt als „Mustergau“ – sowohl früh als auch mit den reichsweit besten Wahlergebnissen gelingt der NS-Bewegung hier der Aufstieg.

Im März 1933 wird Gauleiter Lohse auch als Oberpräsident der Provinz Schleswig-Holstein eingesetzt. Beide Ämter hält er bis zur Kapitulation am 8. Mai 1945 inne und repräsentiert damit im höchsten Staats- und Parteiamt der Provinz die schleswig-holsteinische NSDAP.