Kirche im Führer-Koog

Religiöse Anmutungen

Die Neulandhalle erzeugt religiöse Anmutungen. Bereits beim Betreten der Halle fällt der mächtige Kamin an der Ostwand ins Auge. In christlichen Kirchen steht an dieser Stelle gewöhnlich ein Altar. Wo ein Kreuz zu finden wäre, hängen über dem Kamin Schwert und Ähren als Symbole der „Blut-und-Boden“-Ideologie.

Bunte Wappenfenster der Halle erinnern an Kirchenfenster.

Der eigentliche Gegenstand nationalsozialistischer Verehrung findet sich im „Ehrenraum“: eine Hitlerbüste umrahmt von goldenen Lettern. – Ein Seitenaltar wie in einem kirchlichen Nebenschiff!

Nationalsozialistisches Gotteshaus

Oberpräsident Hinrich Lohse gibt die Halle 1937 ausdrücklich auch für religiöse Familienfeiern frei. Im Sinne „deutschchristlicher“ oder nur „gottgläubiger“ Nationalsozialisten ist die Halle dann ein Gotteshaus.

Hitlerbüste und Goldlettern mit dem ausgelegten Koog-Buch, das auf einer zeitgenössischen Postkarte „Das Goldene Buch des Adolf-Hitler-Kooges“ genannt wird.

Ein Altar für den Führer

Adolf Hitler ist in der Neulandhalle eine besondere Würdigung im „Männerraum“, der deshalb auch „Ehrenraum“ genannt wird, vorbehalten: Auf einem altarähnlich gestalteten Bücherbord steht seine Büste. Geschnitzt hat sie der Hamburger Bildhauer Carl Schümann (1901-1974) aus altem Fachwerkholz. In Goldlettern gedruckte Auszüge aus der Rede Hitlers bei der Grundsteinlegung umrahmen die Plastik.

Der Kieler Kulturredakteur Reinhold Stolze beschreibt die Plastik 1936 mit pathetischen Worten:

„Die vom Willen gestrafften mannhaften Gesichtszüge, die denkerisch konzentrierte Stirn, der sprechende, ausdruckstark geformte Mund, die großen faszinierenden, unbeirrt blickenden Augen lassen in der Büste die tatkräftige Führerpersönlichkeit erkennen.“

Vor dem Porträtkopf Hitlers liegt das Koogbuch „Des Führers Koog“. Im Bücherbord findet sich die passende ideologische Literatur wie z.B. Hitlers „Mein Kampf“, daneben Bücher, die die Dithmarscher Geschichte glorifizieren.

Zitat: Stolze 1936, S. 28

Der Blick auf die Bücherwand im „Ehrenraum“ der Neulandhalle:
Ein Altar! Die Wappenfenster sind, abgesehen von den Wappen Meldorfs und Marnes, noch nicht ausgeführt.

Der Blick vom Eingangsbereich auf den Kamin: Auch in dieser schrägen Blickrichtung der Fotografie wird sein vorherrschender Charakter deutlich.

Der Kamin-Altar der Neulandhalle.

Ingeborg Christiansen schreibt um 1938 in ihrer Staatsexamensarbeit:

„Tritt man in die Halle ein, so bannt die Kaminwand gleich den Blick. Ein Germanenschwert schmückt den Rauchfang. Zu beiden Seiten der aufwärts gerichteten Klinge wachsen je 4 Weizenähren empor. Wehrstand und Nährstand, Lebensschutz und Lebenserhaltung, Kampf und Arbeit werden durch dieses Motiv versinnbildlicht.“

Zitat: Christiansen um 1938, S. 72f

Ein Wappenfenster mit den Wappen von Wilster, Itzehoe und Krempe.

Wappenfenster: Verbundenheit mit der Westküste

Architekt Brodersen legt die Neulandhalle als Gesamtkunstwerk an. Nichts ist Zufall, alles ist Gestaltung.

Für die abtrennbaren Räume der Halle, den „Frauenraum“ und den „Männer-“ oder „Ehrenraum“, plant der Architekt spezielle Fenster: In der Bauphase noch zwei vierteilige, in der Überarbeitung 1941/42 sechs jeweils dreiteilige aus buntem Antikglas gearbeitete Wappenfenster.

In der ersten Ausführung sind es nur die Stadtwappen von Marne und Meldorf. Die Firma August Wagner, Vereinigte Werkstätten für Mosaik und Glasmalerei, fertigt sie in Berlin-Treptow.

Im Jahr 1941 richtet Brodersen Anfragen an einige weitere Städte und bittet sie um Stiftung ihrer Wappen. Da Niebüll (noch) kein Wappen hat, wird jenes vom 1920 in der Abstimmung abgetretenen Tondern genommen. Das nordfriesische Wappen kommt hinzu, weil die Gemeinde Tating wappenlos ist.

Die schließlich 18 auch wieder in der Berliner Werkstatt angefertigten bunten Wappenfenster sollen die Verbundenheit mit der gesamten Westküste zum Ausdruck bringen. Wenn sich das Licht in ihnen bricht, tauchen sie den Raum zugleich in eine andächtig-sakrale Atmosphäre.

Richard Brodersen, Planung der Wappenfenster für die Fertigstellung im Jahr 1942.

Schon in der Architektenzeichnung ist die religiöse Anmutung des Kamins deutlich zu erkennen. Richard Brodersen überlässt nichts dem Zufall.